Aktuelle Forschungsprojekte

Laufende Projekte

1. Archäologische Untersuchungen in Spasinou Charax und seiner Umgebung

Plinius zufolge gründete Alexander d. Gr. einen Ort Alexandria-am-Tigris am Zusammenfluss von Tigris und Karkhe (Eulaios). Ab der Mitte des 2. Jh. v. Chr. unter dem Namen Spasinou Charax bekannt, wurde dieser Ort bis zur Mitte des 7. Jh. n. Chr. zum wichtigsten Hafen am Persischen Golf. Über diesen Ort, wo sich laut dem Perlenlied in den Thomasakten „die Kaufleute des Ostens“ trafen, wozu diejenigen aus den babylonischen Großstädten ebenso zählten wie Palmyrener, wurden die Gewürze und Edelsteine Indiens und Indonesiens, Seiden aus China sowie Gläser und Metalle aus dem Mittelmeerraum und Mesopotamien verhandelt. Nachdem zunächst der Karkhe und im 7. Jh. auch der Tigris sich andere Flußbette gesucht hatten, wurde der Ort verlassen. Erst 1967 identifizierte John Hansman die Ruine al-Khayaber mit Charax, konnte aber keine weitergehenden Untersuchungen mehr anstellen. Im Frühjahr 2016 konnten Jane Moon, Robert Killick und Stuart Campbell die fast 6 km2

große Stadt erstmals untersuchen. Eine teilweise 10 m hoch anstehende Stadtmauer umgibt einen hippodamischen Stadtgrundriß, der sich in einem ersten Magnetogramm mit Häuserblöcken der Größe von Antiochia und Seleukia-am-Tigris deutlich abzeichnet, vgl. den Report unter www.charaxspasinou.org.

Im Juli 2016 wurde ich von genannten Kollegen gefragt, ob ich nicht Co-Direktor der nunmehr auf mehrere Jahre angelegten Erforschung der Stadt und ihrer Umgebung werden wollte. Angesichts dessen, dass wir hier eine einzigartige Chance haben, mit der Hauptstadt der Mesene, ein politisches Zentrum der Seleukiden- bis Sasanidenzeit, zu erforschen und zudem das Zentrum des Fernhandels zu erkunden, konnte es kein Zögern geben. Wir planen z.Zt. drei Kampagnen, in denen wir das riesige Gelände komplett geophysikalisch, photographisch etc. aufnehmen und durch Probegrabungen die Abfolge der Keramik etablieren wollen. Wie die längerfristige Fortführung des Projektes dann aussehen wird, ist noch zu entscheiden. Die bislang sehr weite Lizenz lässt zahlreiche Möglichkeiten zu.

2. Familienbilder (Abschlusspublikation)

Das Projekt Familienbilder untersucht die Grabreliefs der syrischen Oasenstadt Palmyra, von der aus im 1. – 3. Jh. n. Chr. ein Großteil des Fernhandels mit Gewürzen, Edelsteinen, Seidenstoffen und Metallen zwischen Indien, dem Persischen Golf und dem Mittelmeer organisiert wurde. Die Toten wurden in sog. Loculi in mehrstöckigen Turmgräbern oder Hypogäen beigesetzt, die mit lebensgroßen Büsten der Verstorbenen verschlossen wurden. Beischriften nennen die Namen der Toten, Vater und Großvater bzw. Ehemann. Dies ermöglicht die Rekonstruktion von Stammbäumen von bis zu 10 Generationen und von Familienbeziehungen und den Vergleich der Bildnisse von Verwandten. Die ungewöhnliche Verbindung von Bild und Namen bietet eine einmalige Materialbasis zur Untersuchung der Frage nach der Verbindung von sozialer und räumlicher Nähe im Grab sowie nach dem Porträtcharakter der Bildnisse.

Nachdem ich schon 2008 begonnen hatte, über palmyrenische Porträts zu forschen und in diversen Vorträgen die Verbindung zwischen sozialer Struktur und Gräbern vorzustellen, habe ich für das Thema ein Forschungsprojekt mit Studierenden konzipiert, die in Forschungsseminaren gemeinsam mit dem Dozenten ihre Kriterien und Fragen entwickeln und auf diese Weise forschungsbezogene Abschlussarbeiten verfassen konnten. Eine Publikation, voraussichtlich in der Serie Image and Context (ICON) wird z. Zt. vorbereitet.

3. Publikation: Kleinkönige und starke Verwalter: Macht und Bedeutung lokaler und regionaler Herrschaft im östlichen Mittelmeer und dem Vorderen Orient von der assyrischen bis sasanidischen Zeit“ (Petty Kings and strong administrators: power and significance of local and regional rulers from Assyrian to Sasanian times), zusammen mit Henning Börm

Diese Publikation geht im Kern auf eine Konferenz zurück, die am 30.9. / 1.10. 2013 im Konzilsgebäude in Konstanz stattfand. Diese beschäftigte sich mit der Frage der eingeschränkten Souveränität von Herrschern. Alleinherrschaft hat ihre natürliche Grenze dort, wo ihre Legitimation über Her- bzw. Abkunft, göttlichen Willen und Wirksamkeit und ihre politischen wie militärischen Durchsetzungsmöglichkeiten enden. Die Frage ist für alle Herrschenden, wie sie mit dieser Problematik der begrenzten Reichweite ihrer Herrschaftsausübung umgehen. Wie wird die faktisch begrenzte Herrschaft von Monarchen gegenüber fremden Territorien in Wort oder Bild kommuniziert, ohne ihre Macht gegenüber den eigenen Subjekten dadurch in Frage zu stellen? Vor allem aber gilt die Auseinandersetzung den Herrschern, die als „König“ bezeichnet werden, obwohl sie weder souverän sind noch Alleinherrscher. Es gilt daher strukturell zu fragen: Was unterschied Könige in solchen Positionen von delegierten Administratoren, Satrapen oder Statthaltern? Wer bewahrte oder erhielt mit Alleinherrschaft verbundene Titel, und welche waren das? Welche Ansprüche werden durch einen Königstitel jeweils erhoben? Welche Art der Selbstdarstellung ist damit verbunden? Gibt es Varianten der Schilderung eingeschränkter Macht in bildlicher Repräsentation?

Die Konferenz war Teil der Veranstaltungen der Netzwerkplattform Vergleichende Monarchieforschung in der Vormoderne. Aus verschiedenen Gründen hat sich das Publikationsprojekt bislang verzögert, soll aber nun, wenn weitere eingeladene Beiträge eingetroffen sind, zum Abschluss kommen.

4. Kultpluralität, Segregation und Integration: Transformationen religiöser Systeme zwischen Alexander und Yazdgird I.

Für kaum eine Region und Zeit ist die Vielfalt der Möglichkeiten religiöser Selbstverortung so groß wie unter seleukidischer und arsakidischer Herrschaft. Die Verehrung von traditionellen altorientalischen Göttern steht neben Stammesgottheiten, translokalen Gestirnsgöttern und monotheistisch-abstrakten Gottesvorstellungen. Die Formeln für die bildliche Darstellung der Götter wiederum werden zum großen Teil aus dem Formenschatz griechisch-römischer Skulptur bezogen. Gleichzeitig finden sich bedeutende jüdische und ab dem 1. Jh. stetig wachsende christliche Gemeinden in Mesopotamien.

Es ist Ziel dieses Projektes, die Interdependenzen und kulturellen Vermittlungsstrategien zwischen den Kultgemeinschaften zu untersuchen. Den Fragen soll mit Hilfe der vielfältigen Zeugnisse für Religion und Kult in textlichen, materiellen und bildlichen Quellen nachgegangen werden. Dazu zählen aus dem Bereich der materiellen Kultur Architektur, Statuen, Terrakotten und Siegel­darstellungen. An Schriftquellen treten Bau- und Weihinschriften, theophore Elemente in Namen sowie Nachrichten in antiker römischer und syrischer Literatur hinzu.