Dissertationsprojekte
Anne Diekjobst
Dissertationsprojekt: Wege in die Gesellschaft. Personenkonzepte und soziale Adressierungen im monastischen Kontext des späten Mittelalters
Mit dem Eintritt in ein Kloster ist der Rückzug aus der Welt verbunden. Die Regula Benedicti etwa fordert von jenen, die sich zu einem monastischen Leben entschließen, eine Absage an das 'alte' Leben in der Welt und eine vollkommene Erfüllung einer normativen Erwartung: klösterliches Leben als contemptus mundi, als vollumfängliche Absage an die Welt außerhalb des Klosters. Der Versuch, der Welt zu entsagen, war aber unweigerlich auf die Welt verwiesen. Kloster und Welt ließen sich nie in der gewünschten Schärfe trennen, sondern standen über die Jahrhunderte hinweg in einem fortwährenden Austauschprozess, der beide veränderte. Dabei sind es nicht allein Institutionen, die von der Klausurmauer voneinander getrennt sein sollten und doch in Austauschbeziehungen standen, wie etwa das Kloster mit der Stadt, sondern auch die einzelnen Mönche und Nonnen mit den sozialen Gruppen außerhalb des Klosters.
Das Projekt setzt an diesem Phänomen an. Unter Zuhilfenahme eines kommunikationstheoretischen Ansatzes wird ein Personenkonzept entwickelt, anhand dessen die vielfältigen Möglichkeiten der sozialen Einbindung von Nonnen aufgezeigt werden können. Die Kommunikationstheorie spendet dabei zwei Perspektiven auf die Quellen: zum Einen wird normatives Schriftgut lediglich als ein möglicher Generator von Erwartungen zugrunde gelegt. Die Austauschbeziehungen sind bisher zumeist aus der Perspektive des Verfalls eines klösterlichen Ideals betrachtet worden, die Wende auf eine gesamtgesellschaftliche Perspektive kann in der Analyse der Kommunikation vollzogen werden, denn "[e]rst die Reaktion schließt die Kommunikation ab und erst an ihr kann man ablesen was als Einheit zustande gekommen ist." (N. Luhmann) Zum Anderen lenkt die Kommunikationstheorie den Blick auf die soziale Praxis der Kommunikation an der Nonnen teilhatten, die sich nicht in den normativen Quellen finden lässt.
Es sind besonders Quellen einer alltäglichen Praxis, die in den Urkunden des Spätmittelalters überlebt haben, die uns mit einer kommunikativen Praxis konfrontieren, mit der die Möglichkeiten sozialer Adressierungen aus dem monastischen Kontext heraus ausgeleuchtet werden können. Daraus gewinnt das Projekt seine These: Personenkonzepte, die multiple Adressen in sich vereinen können und somit in den unterschiedlichen sozialen Räumen adressierbar werden, sind die Grundeinheit der sozialen Integration. Über Einzelne sind Annäherungen sozialer Räume möglich und, wenn sich die Adressen in beiden Räumen verfestigen und auf gewisse Dauerhaftigkeit gestellt werden, Kreuzungen der sozialen Räume. Einzelne sind in der Lage zwischen sozialen Räumen zu vermitteln, durch ihre Zugehörigkeit zu unterschiedlichen sozialen Räumen haben sie die Möglichkeit, Verbindungen herzustellen und so nicht nur selber verschiedene Räume zu betreten, sondern auch Räume näher aneinander zu bringen. Die Erweiterung des Spektrums der Personen um distinkte soziale Adressen zeigt dabei, dass die spätmittelalterliche Gesellschaft viel weniger unter dem Primat einer segmentär-stratifikatorischen Differenzierung, denn einer beginnenden funktionalen Differenzierung zu sehen ist. Personen sind im Besitz einer Anzahl von distinkten Adressen, durch die sie in funktional unterscheidbaren Kontexten kommunizieren können und dadurch Teil haben an sozialen Räumen. So wird mit der Erfassung sozialer Adressbildungen zugleich ein wesentlicher Beitrag zur Analyse der sozialen und kulturellen Grundlagen von Integration geleistet, in dem das Spektrum an Adressabilitäten, seine Verstetigung und Veränderung in der Zeit, die paradigmatischen Möglichkeiten als strukturelle Voraussetzung für die Integration sozialer Räume in kommunikativer Praxis in den Blick kommen und letztlich Gesellschaft als "Horizont aller möglichen Kommunikationen" (A. Nassehi) sichtbar wird.
Für die Analyse der Ausbildung sozialer Adressen als elementare Voraussetzungen von Desintegration und Integration bietet sich ein Blick in die zahlreichen Frauenkommunitäten des Bodenseeraums an, insbesondere des südwestlichen Untersuchungsraumes, die sich in den heutigen politischen Grenzen der schweizerischen Kantone Thurgau und Schaffhausen. Frauenkommunitäten, eben weil der Anspruch des contemptus mundi an die Frauen des monastischen Lebens noch einmal umso einschränkender formuliert worden ist. Die Inkorporation in Orden war geknüpft an die strengste Form der Klausur und die Gewährleistung einer gewissen finanziellen Stabilität, da die Frauen nur begrenzt weltliche Aufgaben erfüllen konnten und von den wohltätigen Spenden und Stiftungen von außerhalb abhängig waren - auch wenn sich in Nuancen Unterschiede in den einzelnen Ordensregeln finden lassen. Eine Auswahl erfolgte daher bewusst ordensübergreifend. In den Blick kommen die Klarissen von Paradies, die Zisterzienserinnen von Tänikon, die Dominikanerinnen von St. Katharinental, die Augustinerinnen von Münsterlingen und die Benediktinerinnen von St. Agnes.
Das Projekt ist Teil des Projekts "Klöster und Klausen am Bodensee".
Tilman Meyer
Dissertationsprojekt: Petrarca und die anderen
Mit der Arbeit „Petrarca und die anderen“ versuche ich, den frühen Humanismus des ausgehenden 14. Jahrhunderts als Subjektkultur zu beschreiben. Zentrale theoretische Bezugspunkte für die Untersuchung sind subjekttheoretische und praxeologische Arbeiten. Die Praktiken, die das frühhumanistische Subjekt meiner Arbeitshypothese nach primär formen, sind diejenigen des Lesens und Schreibens. Untersuchungsgegenstand sind in erster Linie Briefwechsel früher Humanisten in Italien, Frankreich und Böhmen.
Simon Götz
Dissertationsprojekt: Rechenschaft ablegen: Frömmigkeit, Ökonomie und Klosterreform um 1500
Das Konstanzer Frauenkloster Zoffingen
Als eines der letzten Dominikanerinnenkonvente vor der Reformation wurde das Kloster St. Katharina in Konstanz (genannt Zoffingen) einer Reform unterzogen. Bischof Hugo von Hohenlandenberg ordnete 1497 die Reform durch Schwestern des St. Galler Konventes an. Im Zentrum der Reform eines nicht-inkorporierten Konventes – durch die Schwestern einer ebenfalls nicht-inkorporierten Gemeinschaft – stand zunächst die Neuordnung von Ökonomie und Verwaltung. Als zweite Säule der Reform wurde die geistige Erneuerung anvisiert. Im Rechnungsbuch des Klosters wird über beide Bestandteile der Reform (Ökonomie und Spiritualität) Rechenschaft abgelegt. Diese einzigartige Quelle, die mehrere Reformphasen deutlich macht und bis 1533 fortgeführt wird, legt die Verbindungen in das laikal-städtische Umfeld des Klosters offen. Auf Grundlage des Zoffinger Fallbeispiels soll der Frage nachgegangen werden, ob sich ein Eigenprofil der Reform eines Frauenkonventes um 1500 erkennen lässt, das insbesondere auf engen Verbindungslinien zwischen Laienfrömmigkeit und monastischer Spiritualität beruht. Unterscheidet sich die Zoffinger Reform darin, die Reform „soft“ anzugehen? Wenn sich Reformphasen identifizieren lassen: Ist dann das Narrativ der Klosterreform als Zäsur in Frage zu stellen? Kann man am Konstanzer Beispiel belegen, dass sich Laienfrömmigkeit und monastische Spiritualität bis zur Deckungsgleichheit angenähert haben? Muss sich ein Frauenkonvent vielleicht aus diesem Grund um 1500 neu legitimieren?
Daniela Büchler
Dissertationsprojekt: Nürnberger Haushalts- und Schenkbücher
Intuitiv würden wir heute aus einer vom 19. Jahrhundert geprägten Sicht das Führen von privaten Haushaltsbüchern mit der Institution der Hausfrau in Verbindung setzen. Die ersten deutschsprachigen Haushaltsbücher wurden jedoch ausschließlich von Männern geführt; Männer, die die Führung eines privaten Haushalts offenbar für so wichtig erachteten wie die Führung eines Geschäfts. Ihren Anfang nahm die private Haushaltsbuchführung nördlich der Alpen im ausgehenden 15. Jahrhundert. In dieser Zeit entstand in Nürnberg eine Serie privater Haushaltsbücher, die nahelegen, dass sich diese neue Form der „Buchführung“ aus den Rechnungs- und Geschäftsbüchern von Kaufleuten und Adligen entwickelt hatte. Die ersten Nürnberger Haushaltsbücher sind der Forschung durch die Editionen von Johann Kamann und Wilhelm Loose seit längerem bekannt; bislang sind sie aber keiner systematischen Analyse unterzogen, sondern meist nur als Steinbruch für Löhne und Preisfragen benutzt worden. Die Haushaltsbücher, so die Kernthese des vorliegenden Forschungsprojektes, dokumentieren jedoch eine epochale Zäsur: In ihnen nimmt jenseits der Höfe der oikos als kleinste konsumtive Wirtschaftseinheit plastische Gestalt an. Zwei Ebenen stehen im Fokus der Aufmerksamkeit: 1. die Technik der Buchführung und 2. die Kunst der Haushaltsführung auf personeller und materieller Ebene.